Clair Obscur: Expedition 33 verliert Indie Game Awards nach Streit um KI-Nutzung

Die Indie Game Awards (IGAs) haben mehrere Auszeichnungen ihrer diesjährigen Verleihung nachträglich aberkannt – darunter auch den prestigeträchtigen Game of the Year Award. Besonders im Fokus steht dabei Clair Obscur: Expedition 33 von Sandfall Interactive, dem ursprünglich sowohl Game of the Year als auch Best Debut Indie zugesprochen worden waren.

Grund für den Rückzug der Preise ist der Vorwurf, dass das Entwicklerstudio bei der Einreichung des Spiels nicht transparent über den Einsatz von generativer KI gewesen sei.

Harte Linie gegen generative KI

Die IGAs, organisiert von Six One Indie, positionieren sich seit Jahren bewusst als Gegenpol zu vielen großen Award-Shows. Neben der Förderung unabhängiger Spiele gehören auch klar formulierte ethische Leitlinien zu ihrem Selbstverständnis. Eine davon: Keine Auszeichnungen für Spiele, bei deren Entwicklung generative KI eingesetzt wurde.

Laut einer Stellungnahme von Mike Towndrow (Six One Indie) habe Sandfall Interactive bei der Einreichung ausdrücklich bestätigt, dass Clair Obscur: Expedition 33 ohne den Einsatz von generativer KI entwickelt worden sei. Erst am Tag der Preisverleihung habe das Studio eingeräumt, dass KI-generierte Grafiken zumindest zeitweise in der Produktion genutzt wurden.

Diese Information wurde später auch offiziell im FAQ-Bereich der Indie Game Awards bestätigt:

Bei der Einreichung erklärte ein Vertreter von Sandfall Interactive, dass keine generative KI im Entwicklungsprozess verwendet wurde. Die spätere Bestätigung des KI-Einsatzes disqualifiziert das Spiel rückwirkend von der Nominierung.

Zwar seien die betroffenen Assets inzwischen aus dem Spiel entfernt worden, dennoch verstoße der Vorgang gegen die klar kommunizierten Regeln der IGAs.

Preise neu vergeben

Infolge der Entscheidung wurden beide Auszeichnungen für Clair Obscur: Expedition 33 offiziell aberkannt. Die neu vergebenen Gewinner:

Game of the Year: Blue Prince

Best Debut Game: Sorry We’re Closed von à la mode games

Sandfall Interactive sowie Publisher Kepler Interactive wurden um eine Stellungnahme gebeten, diese lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung jedoch noch nicht vor.

Zweite Aberkennung wegen Unternehmensverflechtungen

Neben Clair Obscur wurde ein weiterer Preis zurückgezogen: Die Indie Vanguard-Auszeichnung für Chantey, ein Game-Boy-ähnliches Spiel des griechischen Studios Gortyn Code.

Hier liegt der Grund allerdings nicht im Spiel selbst, sondern in dessen Vertriebsstruktur. Die physische Version von Chantey wird exklusiv von ModRetro produziert und vertrieben – einem Unternehmen im Besitz von Palmer Luckey, Mitgründer von Oculus und CEO des Rüstungsunternehmens Anduril Industries.

Besonders brisant: Kurz nach der IGA-Verleihung kündigte ModRetro mit dem Anduril Chromatic ein Retro-Handheld an, das laut Marketing aus demselben Material gefertigt sei wie die Drohnen des Militärunternehmens.

Die IGAs erklärten dazu:

ModRetro steht in direktem Widerspruch zu den Werten der Indie Game Awards. Wir möchten dem Unternehmen keine Plattform bieten.

Gleichzeitig betonen die Veranstalter ausdrücklich, dass sich die Entscheidung nicht gegen das Entwicklerstudio richtet. Chantey werde weiterhin als gelungenes Spiel empfohlen und ist unabhängig davon über Itch.io spielbar.

Werte vs. Neutralität

Die Entscheidungen sorgen erwartungsgemäß für Diskussionen. Kritiker werfen den IGAs vor, politische und ideologische Maßstäbe über die reine Spielebewertung zu stellen. Befürworter sehen gerade darin den Kern einer unabhängigen Veranstaltung, die sich bewusst von kommerziellen oder industriepolitischen Zwängen abgrenzt.

Fest steht: Die Indie Game Awards bleiben ihrer Linie treu – auch wenn das bedeutet, bereits vergebene Preise öffentlich zurückzuziehen. Die ursprünglichen Preisverleihungen bleiben online abrufbar, die neuen Gewinner werden ihre Dankesreden nachreichen.

Der Fall Clair Obscur: Expedition 33 zeigt, wie sensibel das Thema generative KI in der Spieleentwicklung inzwischen geworden ist – besonders im Indie-Bereich. Transparenz ist nicht mehr optional, sondern entscheidend. Gleichzeitig verdeutlicht die ModRetro-Entscheidung, dass die IGAs mehr sein wollen als nur eine Preisverleihung: nämlich ein klar positioniertes Statement darüber, wofür Indie-Games stehen sollen – und wofür nicht.