Von Xbox-Helden zu PS5: Moon Studios lässt Microsoft links liegen

Als Ori and the Blind Forest 2015 erschien, war die Xbox One in einer tiefen Identitätskrise. Der damalige Flop-Launch hatte Microsoft viele Sympathien gekostet, doch Ori – ein gefühlvolles, technisch beeindruckendes 2D-Abenteuer – wurde zur Hoffnung auf Besserung. Der Nachfolger Ori and the Will of the Wisps wiederholte das Kunststück: fantastische Wertungen, Day-One-Release im Game Pass, und viele Xbox-Fans sahen Moon Studios fast schon als First-Party-Liebling an – obwohl sie stets unabhängig blieben.

Fast zehn Jahre später wirkt das wie eine ferne Erinnerung. Moon Studios’ neues Projekt No Rest for the Wicked, ein düsteres Soulslike mit isometrischer Perspektive, ist bereits im Early Access für PC erhältlich. Doch wer auf eine baldige Konsolenversion auf Xbox hofft, wird enttäuscht: CEO Thomas Mahler erklärte in einem Discord-Post, dass man sich zunächst auf die PS5 – und eventuell auch die neue Switch – konzentrieren werde. Die Xbox-Version? Kommt später. Vielleicht deutlich später.

Ein Schlag für Microsoft – von den eigenen Leuten

Das Ganze ist mehr als nur eine kurzfristige Produktionsentscheidung. Es ist ein symbolischer Moment. Moon Studios, eine der wenigen Xbox-Erfolgsgeschichten in der Indie-Szene, kehrt Microsoft den Rücken – zumindest temporär. Mahler betonte zwar, dass man No Rest for the Wicked „letztlich auf allen Plattformen veröffentlichen will“, doch die Reihenfolge ist eindeutig: Erst PlayStation, dann Nintendo, irgendwann Xbox.

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein Studio, dessen bekannteste Spiele bis heute nicht einmal auf PlayStation erschienen sind, bringt sein neues Prestigeprojekt zuerst genau dorthin – weil die Verkaufszahlen es verlangen.

Zahlen, die nicht lügen

Der PS5-Absatz liegt laut aktuellen Schätzungen bei über 80 Millionen Einheiten. Die Xbox Series X/S? Weniger als die Hälfte. Und auch wenn Microsoft keine offiziellen Zahlen mehr nennt, bestätigen die Quartalsberichte: Die Hardware-Einnahmen sinken stetig. Gleichzeitig hat Nintendo mit der gerade erschienenen Switch 2 offenbar wieder einen Nerv getroffen und Verkaufsrekorde gebrochen.

Wenn du also ein Studio mit begrenztem Team (Moon Studios hat aktuell um die 80 Mitarbeitende) und limitierten Ressourcen für Portierungen bist – dann entscheidest du dich für die Plattformen, auf denen du eine Chance auf echten Umsatz hast. Und das ist derzeit eben nicht Xbox.

Microsoft fragt sich selbst: „Warum meiden uns Entwickler?“

Schon im Herbst 2024 veröffentlichte Microsoft einen ungewöhnlich offenen Blogpost. Titel: „Wenn ihr keine Spiele für Xbox entwickelt – warum nicht?“ Man suchte den Dialog mit Entwickler:innen und bat um Feedback, insbesondere von jenen, die auf Konkurrenzplattformen setzen.

Die Antwort, die Moon Studios nun liefert, dürfte Microsoft nicht gefallen. Es geht nicht um persönliche Abneigung, fehlende Dev-Kits oder technische Probleme. Es geht ums Geschäft. Und in diesem Geschäft verlieren Xbox-Konsolen zunehmend an Relevanz. Mahler sagte es ganz direkt: „PS5 macht aktuell am meisten Sinn.“

Was bedeutet das für Game Pass – und für die Zukunft?

Interessanterweise scheint auch der Xbox Game Pass diesmal keine Rolle gespielt zu haben. Kein Day-One-Deal. Keine Microsoft-Prio. Und keine Andeutung, dass da noch etwas kommt. Das ist bemerkenswert – schließlich war Ori and the Will of the Wisps ein Aushängeschild für Game Pass und wurde in Werbespots prominent gefeatured.

Der Fall zeigt: Selbst wenn du Microsoft in der Vergangenheit treu warst, heißt das nicht, dass du es dir heute noch leisten kannst. Moon Studios trifft eine rationale Entscheidung – und die zeigt, dass Xbox als Plattform für viele Entwickler:innen an Attraktivität verliert.

Fazit: Microsoft steht am Scheideweg

No Rest for the Wicked könnte sich zum Wendepunkt entwickeln – nicht nur für Moon Studios, sondern auch für das Verhältnis zwischen Indie-Entwicklern und Xbox insgesamt. Wenn nicht mal mehr langjährige Partner Microsoft priorisieren, ist das ein Weckruf. Die Konkurrenz schläft nicht – und sie verkauft sich einfach besser.

Für Xbox bedeutet das: Es reicht nicht mehr, gute Tools oder Services zu bieten. Studios brauchen Reichweite, Umsatzpotenzial und eine Community, die kauft. Und momentan hat das vor allem PlayStation.